best book there is, part 11: Blessing in Disguise

best book there is, Teil 11: Glück im Unglück

06 Apr 2021
/Thomas Ritt
  Januar 2014. Endlich habe ich es zeitlich geschafft, die eigentlich schon zum 50-igsten Geburtstag angedachte Motorrad-Sehnsuchtstour am anderen Ende der Welt in Neuseeland wahr werden zu lassen. Start ist am 20.01.2014 in Christchurch.  Wie immer bin ich, perfekt vorbereitet durch Frau Maag von der Reiseagentur Eudenbach-Müller, einige Tage früher am Startpunkt, um mich vom Jetlag zu erholen und mehr Zeit für Land und Leute zu haben. Christchurch finde ich besonders spannend, weil diese Stadt die fast völlige Zerstörung durch das Erdbeben im Februar 2011 als Chance begriffen hat, einen Wiederaufbau mit zukunftsweisender Infrastruktur, Architektur und Stadtplanung erdbebensicher zu starten. Erste neue Gebäude in futuristischem Baustil sind bereits sichtbar. Daneben habe ich auch noch nie eine Einkaufsmeile gesehen, die aus umgebauten Schiffscontainern besteht. Das neuseeländische Improvisationstalent und die besondere Haltung, nie aufzugeben, begeistern mich wirklich. Ein weiteres Highlight sind die wunderschönen Botanic Gardens direkt neben dem Christchurch Hospital, das für mich auf dieser Tour noch eine besondere Bedeutung bekommen soll. Am 21.01.2014 geht es endlich auf die Motorräder mit einer bunt gemischten und vom Start weg sympathischen Truppe aus Canada, Tschechien, Österreich, den USA und Deutschland. Thomas kommt sogar aus meiner ursprünglichen Heimat im Münsterland – wie klein die Welt doch manchmal ist. Unsere Tourguides Tom Ritt, Tony Fairweather und Stephan Kaltschmid sorgen direkt für viel Spannung auf das, was uns erwartet. Das Wetter ist uns auf der Südinsel zunächst sehr gut gesonnen. Wir machen ein traumhaftes Gruppenfoto mit Blick auf den Mt. Cook und erleben tolle Tage in Queenstown. Am 26.01.2014 geht es dann die Westküste hinauf vom Fox Glacier nach Punakaiki. Leider hat uns nun der für diese Gegend berüchtigte Dauerregen eingeholt.  Es ist 15 Uhr, und wir überqueren eine der letzten „road and rail“-Brücken in Neuseeland. Genauer gesagt die Bridge 13 über den Taramakau River kurz vor dem Ort Greymouth mit holprigem, einspurigem Straßenbelag und innenliegenden Eisenbahnschienen.  Ich hätte mir denken können, dass nasser Eisenbahnstahl nach rechts und Straßenführung nach links ein Problem werden könnten. Aber man ist ja so fasziniert von der einzigartigen Landschaft und da setzt das Hirn bedauerlicherweise schon mal aus. So passiert, was der ein oder andere von Euch sicherlich auch schon mal erlebt hat. Das Vorderrad rutscht auf den nassen Schienen weg und ich knalle mit der linken Seite gegen den letzten Brückenpfeiler aus Stahl.  6 Rippen angebrochen und die Schulter ziemlich zerbröselt. Ich höre die herbeigerufene „Police“ nur noch etwas von Unfallschwerpunkt erzählen, bevor ich im Krankenwagen ins „Reich der Träume“ versetzt werde. Ich wache wieder auf im Grey Base Hospital in Greymouth und mein erster Gedanke ist, dass der Arzt da gerade um Himmels Willen mein in Christchurch neu erstandenes schickes Merinowollshirt zerschneidet. Man hat manchmal schon schräge Ideen in solch einer kritischen Situation. Zum Glück ist unser Tourguide Tom an meiner Seite und kümmert sich aufopfernd um mein Wohlergehen.  Nach einer ausführlichen Computertomographie meines Körpers – meine Ärzte in Deutschland sind über den Film später ganz begeistert – reift die Entscheidung, dass ich wohl besser ins Christchurch Hospital verlegt werde, da man in diesem „district hospital“ nur für normale Arm- und Beinbrüche ausgestattet ist. Somit werde ich am nächsten Tag einmal quer über die Südinsel nach Christchurch transportiert und darf das bereits von außen bekannte Hospital nun auch von innen bewundern. Orthopädische Abteilung Christchurch Hospital: 6 Patienten jeden Alters und Geschlechts in einem Zimmer nur durch Vorhänge getrennt; nachts ein dementer ehemaliger Polizeioffizier permanent nach der „nurse“ brüllend; es ist ein (Alp-)Traum. Aber für verunfallte Patienten dank staatlicher Heilfürsorge ohne jegliche Kosten! Einziger Hoffnungsschimmer ist unser Tourguide Tom, der mir mit dem Tourvan nachgereist ist, um mir die Klamotten aus den Koffern des kaputten Motorrads, den Helm und die Stiefel zu bringen und sich nach meinem Wohlbefinden zu erkundigen. Wie man dem Bild ansehen kann, geht es schon wieder bergauf. Spannendste Frage ist nun, ob ich vor Ort operiert werden muss, oder transportfähig bin und wieder nach Deutschland zurückkehren kann. Ich machte Bekanntschaft mit einem durch Neuseeland fliegenden Schulterspezialisten, Dr. Love – kein Scherz –, der mich unbedingt auf dem OP-Tisch sehen will. Zum Glück hält ihn einer seiner Assistenten davon ab und empfiehlt mir die zügige Rückkehr nach Deutschland und dortige Weiterbehandlung.  Also ist nun der Plan, möglichst schnell wieder nach Deutschland zu kommen. Krankenpfleger Simon gebührt hier besonderer Dank, da er sich sofort um die Organisation meiner Rückreise kümmert. Da, wo der ADAC mir aus Deutschland erst über eine Woche später einen Ambulanzflug organisieren kann, kümmert er sich um eine ärztliche Flugfähigkeitsbescheinigung und die Koordination meiner möglichst schnellen Rückreise.   Der ADAC – wir Deutsche sind halt oft Oberbedenkenträger – weist mich noch darauf hin, dass die Fluggesellschaften mich trotz der Bescheinigung nicht mitnehmen müssen. Simon organisiert sofort eine Taxifahrt zum Flughafen Christchurch, um mich dort sicherheitshalber bei Air New Zealand für den Zwischenflug von Christchurch nach Auckland vorzustellen. Der Mitarbeiter am Counter von Air New Zealand lacht sich halb tot, als ich mit meinem linken Arm in einer Schlinge und dem Arztbericht vor ihm stehe. Auf meine irritierte Nachfrage erklärt er dann, dass man nach dem Erdbeben 2011 viel heftiger verletzte Menschen ausgeflogen hat und ich mir überhaupt keine Sorgen machen muss. Da ist er wieder, dieser unbändige Geist der Neuseeländer, Probleme anzugehen und zu lösen, statt sich hinter Formalitäten und Bedenken zu verstecken.  Somit steht meinem Rückflug nichts mehr im Wege und der finale Höhepunkt dieser Geschichte ist dann, dass mich am Flughafen Auckland Tourguide Tom und Tourmitglied Sabine empfangen, um zu sehen, wie es mir geht und mir einen guten Flug nach Deutschland zu wünschen. Mir steht, wie wir im Rheinland schon mal sagen, „Pipi“ in den Augen. Ich bin dann wohlbehalten in Köln angekommen. Es wurde entschieden, nicht zu operieren und nach viel Physiotherapie und Krafttraining habe ich ein Jahr später die nächste Tour mit Edelweiss nach Frankreich unternommen. Die Leidenschaft fürs Motorradfahren ist geblieben und „New Zealand, I will come back“. Die marode Brücke über den Taramakau River soll laut Tom übrigens nun endlich durch eine moderne, zweispurige Brücke ersetzt worden sein.     Epilog: 6 Jahre später und nach 5 weiteren tollen Touren mit Edelweiss Bike Travel kann ich zum 40-jährigen Jubiläum nur ganz herzlich gratulieren. Bleibt so besonders, engagiert, ideenreich, verantwortungsvoll, hilfsbereit und menschlich, wie Ihr seid! Ich hoffe noch viele weitere tolle Touren mit Euch erleben zu dürfen und auch beim 50-jährigen Jubiläum noch dabei zu sein.     Nikolaus Groß, Deutschland  Neuseeland-Tour 2014